Das Monster ist direkt vor jener Tür, die den Zugang vom Keller ins Wohnzimmer abtrennt, dazwischen hat es nur eine Treppe. Ungeduldig versucht es, einzudringen, die Türe zu öffnen. Die Eltern sind zuhause im Wohnzimmer, jedoch unbesorgt – sie können das Monster nicht sehen. Umso furchteinflössender wirkt es. Ein möglicher Ausweg? Das Ungeheuer in der nächsten Nacht zum Freund zu machen, meint die Coachin und Traumspezialistin Monika Landolt Klahr. «Als Kind hatte ich diesen immer wiederkehrenden Alptraum. Plötzlich merkte ich, dass ich meinen Traum gewissermassen beeinflussen kann, wenn ich es nur bewusst versuchte», lacht die Schwarzenburgerin. Wahrscheinlich sei sie dabei nie im Tiefschlaf gewesen, gab ihr Bewusstsein nie ganz ab. «Das war auf die Dauer wahnsinnig anstrengend.»
Keine Unterscheidung
Versuchen, in einen Traum einzugreifen, kann zwar helfen, etwa bei einem immer wiederkehrenden, belastenden Traum oder bei Profisportlerinnen und Profisportlern, die dadurch ihre Leistung erhöhen können. Ansonsten macht die Technik aber nur beschränkt Sinn. «Beeinflusst man einen Traum, unterdrückt man eine tiefere Botschaft des Unterbewusstseins», sagt die ausgebildete Traumcoachin. Und genau dies hilft uns, in der Nacht im unbewussten Zustand unseren Tag, unsere Gefühle und unsere Ängste zu verarbeiten. Ein Traum sei nichts anderes, als ein innerer Film, weiss Landolt. «Unser Gehirn unterscheidet dabei nicht, ob wir uns gerade in der bewussten Realität befinden und diese wahrnehmen, uns einen Film anschauen oder träumen. Emotionen empfinden wir immer.» Deshalb fühlen sich Träume auch so real an. «Fallen wir im Traum eine Klippe herunter, kann es deshalb sein, dass wir im Bett zusammenzucken», meint Landolt.
«Träume sind wahnsinnig interessant und vielschichtig», schwärmt die Schwarzenburgerin. Und tat dies auch schon während ihrem Chinesischstudium, wo sie ihr Lizenziat über Träume verfasste. «Nach dem ich auf einer Bank arbeitete und plötzlich erkrankte, wurde ich mir des ganzheitlichen Zusammenspiels zwischen Körper, Geist und Seele bewusst.» Deshalb versuche sie heute, ihr Wissen zu Selbstverbundenheit, Selbstverantwortlichkeit und Achtsamkeit mittels Coachings in ihrer eigenen Praxis in Schwarzenburg an andere weiterzugeben. Landolt hilft ihren Klientinnen und Klienten unter anderem dabei, ihre Träume besser zu verstehen. «Ich deute den Traum nicht, sondern helfe lediglich hinzuschauen.» Dabei gehe es nicht primär um die eigentliche Geschichte im Traum, sondern um die tiefere Bedeutung der einzelnen Traumelemente. So ergäben sich plötzlich ganz andere Botschaften.
Individuelle Bedeutungen
Mittels geführter Meditation bringe sie die Klientin oder den Klienten langsam in den jeweiligen Traum zurück – in der Praxis oder am Telefon. Dabei spreche man nicht über den Traum, sondern erforsche diesen achtsam. «Jedes scheinbar noch so unwichtige Detail hilft dabei, in eine tiefere Bedeutungsebene einzutauchen und entsprechend individuelle Erkenntnisse zu ziehen.» Individuell, da die Bedeutung von Träumen so unterschiedlich ist wie wir Menschen, unsere Wahrnehmung und unsere Gefühlswelt. So träumen viele zwar Ähnliches – geliebte Menschen sterben, man wird verfolgt, ist plötzlich schwanger, ertrinkt, fällt runter oder verliebt sich fremd – die Bedeutung aber bleibt individuell. Denn das Träumen hilft uns beim Verarbeiten unserer persönlichen Erfahrungen und Gefühle, von Erlebtem, Wünschen und Ängsten. Pauschale Interpretationen, wie man sie etwa in Traumdeutungsbücher findet, würden deshalb wenig Sinn machen, findet Landolt. «Träumt jemand beispielsweise von einem Fluss, kann das verschiedene Bedeutungen haben.» Beispielsweise könne es nicht nur auf den Fluss des Lebens hindeuten, sondern komme auch auf den jeweiligen Bezug zu Gewässern an. «Jemand, der seine Sommerferien als Kind an einem solchen Ort verbrachte, hat eine andere Verbindung dazu, als jemand, der Angst vor Wasser hat», meint die Traumdeuterin.
Unklare Gründe
Wieso genau wir träumen, ist sich die Wissenschaft bis heute nicht sicher. Auch kulturell unterscheidet sich das Verständnis darüber. «Im alten China war man überzeugt, dass ein Teil von uns – etwa die Seele – in der Nacht eine Reise macht, um Erfahrungen zu sammeln, die sonst nicht möglich wären.» Es mag Unterschiede und Unklarheiten über die Gründe vom Träumen geben. Fakt ist jedoch, dass wir es alle tun. Und es für uns nutzen können, ist Landolt überzeugt. «Stürzt jemand immer wieder ab oder sieht jemand anderen abstürzen, etwa von einer Klippe, ist es sinnvoll, sich zu fragen, was man spontan damit verbindet und welches Gefühl es in einem auslöst. Angst? Kontrollverlust? Freiheit? Bringt man dies dann mit dem, was einem im realen Leben gerade beschäftigt, in Verbindung, sieht man vielleicht eine klare Bedeutung dahinter», weiss die Coachin. Plötzlich merke man, in welchem Bereich des Lebens man vielleicht die Kontrolle verliere, was einen beschäftige oder wo man achtsamer sein sollte, ergänzt sie. «Denn Träume sind Botschaften unseres Unterbewusstseins; es lohnt sich hinzuschauen.»
Doch damit man seinen Traum überhaupt deuten kann, muss man sich noch daran erinnern können. Wie, wenn er verschwindet, kaum ist man aufgewacht? «Am besten bleibt man nach dem Aufwachen in der gleichen Position noch etwas liegen und versucht sich zu erinnern. Was ist noch präsent? Wie fühle ich mich?», erklärt Landolt. Danach sei wichtig, so viel wie möglich aufzuschreiben. Denn: Jedes Detail zählt.