Mucksmäuschenstill ist es, als Ernst Bromeis am Klavier sitzt und seine Finger den schwarz-weissen Tasten wohlgeformte Drei- und Vierklänge entlockt, mal seicht und sanft, mal kraftvoll und raumfüllend. Ein Klavierspiel im Fluss, eine Melodie des Wassers. Ein Element, das alle Extreme kennt – von friedlich bis wild. Der Bündner ist nicht nur Pianist, sondern vor allen Dingen ein Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer. Den Rhein hinunter Richtung Atlantik, alle 200 Bergseen in Graubünden oder neuerdings das Schwimmen im kalten Koloss «Baikalsee»; Bromeis geht ans Limit, um Menschen für das blaue Wunder zu sensibilisieren.
«Permakultur Acker Horbermatt»
Jene drei Nominierten für die Kategorie «Ökologie» musste er davon nicht mehr überzeugen. Sie setzen sich ein, damit im Gantrischgebiet etwas Neues im Takt mit der Natur entsteht. So etwa die mobile Käserei Nünenenalp. Sarah Gross und ihre Familie können in einem Container auf engstem Raum eine ganze Käserei auffahren. Das ermöglicht kurze Transportwege für die Alpenmilch und das «Käsen» vor Ort. Für die Reifung der Köstlichkeiten nutzen sie den Natursteinkeller auf der Alp. Vielleicht ist ja auch ein Käse darunter, der sich in geriebener Form bestens für die Pasta der Familie Haldemann eignet? Der Hof Haldemann verblüfft mit den Produkten, die in Gurzelen entstehen. Pasta aus dem Gürbetal oder eben die nominierte «Stärne Suppe». Die Bouillon ist ein Erzeugnis aus der eigenen Pasta, den eigenen Eiern und jenem Gemüse, dass sonst als «Food Waste» weggeworfen würde, Einheimisches wird hier gänzlich ohne Abfall verwertet. Für die Zusammensetzung sind die Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen aus dem Schlossgarten Riggisberg zuständig, verpackt wird die Suppe schon fast selbstverständlich im Mehrwegglas. Zwei seltene Vögel haben das Leben der Familie Ramser und der ganzen Horbermatt nachhaltig verändert. Ein Zuhause für viele Lebewesen zu bieten, die in der heutigen Zeit nur noch mit Mühe überleben, das trieb sie an, eine standortangepasste Bewirtschaftung mit geschlossenen Kreisläufen anzustreben. Weniger Erosionsgefahr, eine widerstandsfähigere Kultur und mehr Biodiversität dank Ackerflächen, die gleichzeitig mit Bäumen bepflanzt sind. Ein produzierender Betrieb, der auf Absatz setzt und dennoch ökologisch ist, das überzeugt die Jury, die dem Hof Horbermatt den Innovationspreis in der Kategorie «Ökologie» verleiht. Der Wasserbotschafter Bromeis freut sich, dass die Sieger mit ihrer Landwirtschaft besonders sparsam mit Wasser haushalten können.
«Der Name der Rose»
Hingegen wäre der Wasservergleich in der Kategorie «Kultur» eher als sprudelnd zu bezeichnen. Das Freilichttheater «Der Name der Rose» gewinnt den Innovationspreis vor allen Dingen dank seiner überregionalen Ausstrahlung. 50 Schauspieler erwecken am Kraftort Klosterruine Rüeggisberg ein literarisches Epos zum Leben und passen es gleich noch an die örtlichen Begebenheiten an; selbst historisch. Es ist ein Höhepunkt in der 20-jährigen Kulturgeschichte der Klostersommer Anlässe. Ebenfalls in den Reigen der Nominierten schafft es der «Seiliacher». Der Name ist Programm, hier ziehen alle an einem Strang. Um das alte Kunsthandwerk neu aufleben zu lassen, baut das Team den Flachs gleich selbst an. Gemeinsam ein Seil als regionales Produkt zu fertigen, ein Angebot, das nun allen offen steht. Offene Türen hat auch das «Vreneli Museum». Klein in der Grösse, gross in der Wirkung sind die Betreiber zu den Gralshüter der Guggisberger Geschichte geworden. Um nicht zu sagen darüber hinaus. Das Museum erhält nun einen Erweiterungsbau und wird zu einem wichtigen Teil des Gesamtprojekts «Vreneli Dorf». Der Dorfbrunnen mit dem lieblichen Vreneli als Statue oben drauf, ist sinnbildlich. Ewig plätschert der Brunnen, ewig währt die Liebesgeschichte von Vreneli und Hans Joggeli.
«Verein Altersnetzwerk Gantrisch»
Eine nachhaltige Abwasserregulierung ist nur ein Punkt von vielen, weshalb der Umbau der «Schüür Kirchdorf» in der Kategorie «Gesellschaft» nominiert ist. Die grösste Scheune des Kantons Bern soll Gästezimmer, Wohneinheiten und «Tiny Houses» erhalten und damit zu einem Begegnungsort voller sozialer Durchmischung werden. Noch befindet sich der Umbau des historischen Gebäudes in der Planungsphase, aber die dürfte sich schon bald konkretisieren. Wenn Menschen aus jenen Gebieten in den Gantrisch kommen, deren Wasservorkommen begrenzt und äusserst knapp sind, dann hat die Stiftung Urgestein ihre Finger im Spiel. Junge Erwachsene aus Konfliktgebieten finden sich zusammen, um gemeinsam Trockensteinmauern zu bauen, friedensbildend und nachhaltig für Mensch und Umwelt. Den Innovationspreis gewinnt der Verein Altersnetzwerk Gantrisch. Im Alter verliert man zunehmend an Selbstständigkeit, ist auf Unterstützung angewiesen und hegt dennoch den Wunsch, möglichst zuhause leben zu dürfen. Die vielen grossflächigen, aber einwohnerarmen Gemeinden können die damit verbundenen Herausforderungen nur mit viel Kraftaufwand meistern. Der Verein vernetzt, verbindet und vermittelt. Zwischen den Gemeinden, Institutionen und den Menschen. Ein Pionierprojekt aufgrund seiner Ausmasse, die sich über das ganze Gantrischgebiet erstrecken. Wie die Wasserleitungen jeden Haushalt erreichen, so will das auch das Altersnetzwerk tun.
Neun Projekte und die vielen Menschen dahinter haben, wie Ernst Bromeis es formulierte, Mut zum Wagnis, Mut zum Scheitern und Mut zum Vertrauen bewiesen. Sie hatten nicht nur die gute Idee, sondern auch den Mut, es zu tun, Fehler zu begehen und daraus zu lernen und letztendlich die Einsicht, dass solche Unterfangen nur gelingen, wenn man sie teilt, sich anvertraut und Mut zum Leben hat, statt das Leben nur zu verwalten. Diese Einstellung teilt der Botschafter. Das hört man seiner Eigenkomposition am Klavier an. In diesem Schlussmoment der Verleihung war ein ganzer Saal im Fluss, ob nun nah an der Gürbe, der Sense oder dem Schwarzwasser: Erfolg ist, wenn alles im Fluss ist.
INFO
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