Minute die Messanlagen», erwähnt Volker Dölitzsch, Betriebsleiter der Wasserversorgung Gemeindeverband Blattenheid (WGB). Klar, wenn der Schnee schmilzt, sprudeln die Quellen. Aber selbst im trockensten Winter sind es noch mindestens 2000 Liter in der Minute, sagt Jürg Hauert. Das Vorstandsmitglied der WGB muss es wissen, seit 1980 beobachtet er die drei Quellen des Verbandes. Proppenvoll ist das Reservoir in diesen Tagen. «Im Langzeitvergleich gab es kaum je eine Veränderung von mehr oder weniger als 10%», ergänzt Hauert. Sein Gesicht verrät: Dieses Wasserschloss auf 1400m Höhe fasziniert ihn noch wie am ersten Tag.
Intelligente Quelle
Ist das die grösste Quelle der Schweiz? «Das weiss ich gar nicht so genau», zuckt Dölitzsch mit den Achseln und schaut Hauert an. Doch auch dieser kennt die Antwort nicht. «Es ist sicherlich eine der grössten, aber so genau lässt sich das gar nicht sagen», lächelt er. Klar, denn die Wassermengen variieren, örtliche Niederschläge beeinflussen die Zahlen, Faktoren gibt es deren viele. «Es ist vielleicht die intelligenteste Quelle», überrascht nun plötzlich der Betriebsleiter. Die Alp Blattenheid, das Reservoir, die Stollen mit Ausgleichbecken und die Turbinen, das ist die schlaue Kombination. Während das Trinkwasser für die einzelnen Gemeinden gesammelt wird, produziert der WGB gleich noch Strom. Fünf kleine Kraftwerke, eines davon seit 1918, sorgen gleichzeitig für eine weitere Ressource, die zukünftig noch mehr gefragt sein wird: «Das ist eine der cleversten Arten, um Strom zu erzeugen», kommentiert Dölitzsch. Ohne grossen Mehraufwand wird das, was schon da ist, genutzt, um Energie zu erzeugen. Tag und Nacht, Winter wie Sommer. «Der Strom ist längst ein wichtiger Teil des Budgets und nicht nur ein kleines Nebenerzeugnis», ergänzt er. Wie sagt er so schön: eine intelligente Quelle. «Blattenheid» ist nicht der einzige Ort, an dem Strom produziert wird, auch oberhalb der Kirche Blumenstein steht eine Turbine. Addiert man diese kleinen, grünen Strommacher auf die ganzen Quellen der Schweiz, es wäre ein wichtiger Beitrag, um die Energiewende zu stützen. Ohne hohe Staumauern, ohne weitherum sichtbaren Eingriff in die Natur, ohne dass man zuerst Panels bauen muss. Simpel, stetig oder eben: intelligent.
Das Mysterium
Und die Quelle verblüfft weiter. So als ob Wassermenge und Stromerzeugung nicht schon Vorteil genug wären, ist die Reinheit dieses Wassers märchenhaft. «Noch wissen wir nicht wie die Untersuchungen zum Gehalt von TFA (Trifluoracetat) ausgehen werden und wir kämpfen je nach Niederschlägen mit einer Trübung», bremst der Betriebsleiter die Euphorie ein wenig. Grund dafür ist der karstartige Biden im Quellgebiet. Nur, das eine ist neu und kann bei kaum einer Quelle benannt werden, das andere eine vorübergehende Erscheinung, ansonsten «sieht es im Reservoir schon fantastisch aus, wenn man in das kristallklare Becken schaut», meint Hauert. Die Anzeichen stehen gut, dass die «Blattenheid»-Quellen auch die TFA-Messung gut überstehen. Das mittlerweile allseits bekannte Chlorothanonil sucht man in dieser Quelle vergebens. Woher stammt wohl ein solch unbelastetes Wasser? Wieder schauen sich die beiden Vertreter an und müssen sich ein Lächeln verkneifen. Willkommen bei einem Mysterium. «Es gab früher einmal Färbversuche vom Gantrisch bis zum Stockhorn, ausser einem Zulauf aus dem Gustiberg hat man keine neuen Zuströme gefunden», erinnert sich Hauert. Es ist ein gut gehütetes Geheimnis, das nur dieses Wasser selbst kennt. Mutmassen darf man dennoch. Die Potenz und Reinheit lassen die Vermutung zu, dass es unterirdisch einen weiten Weg aus dem hochalpinen Gebiet zurückgelegt hat. Diese unterirdischen Gänge und Windungen sind vielleicht eines der letzten Geheimnisse der Schweiz. Quasi Wasser aus den Tiefen einer Natur, die noch unberührt und ursprünglich ist. «Blumensteiner Urquell»? Das trinken die 24’000 Bewohnerinnen und Bewohner der 17 Gemeinden, die angeschlossen sind. Die Überschüsse haben sich vertraglich daneben auch noch drei weitere Gemeinden gesichert. Darunter Thun. «Wir können bis zu 4000m3 Wasser pro Tag liefern oder rund 40% des Bedarfs der Stadt und das nur mit dem Überschuss, wenn die Reservoirs voll sind», untermauert Dölitzsch noch einmal das schiere Volumen. Kühlen muss man das kostbare Nass kaum. Sommer wie Winter tritt es mit ungefähr fünf Grad Temperatur zu Tage. Die Regelmässigkeit der Quelle fasziniert die beiden bis heute. Wenngleich dieser Sprudel der Unendlichkeit erste feine Anzeichen eines leichten Rückgangs aufweist: Er fliesst kräftiger und reiner als die meisten anderen Quellen. Das ist das Gold der Zukunft. Kostbar, aber leicht verschmutzbar. Der WGB und allen anderen Hütern der Gantrischquellen kommt die verantwortungsvolle Aufgabe zu, das Wasser so sauber wie irgend möglich den Menschen zukommen zu lassen. Nicht nur den Schweizerinnen und Schweizern. Bis es schlussendlich in den Atlantik oder das Mittelmeer fliesst, hat derselbe Wassertropfen vermutlich eine Vielzahl an Menschen gesäubert oder vom Durst befreit. Selbst jener, der bei uns von der Spülung Richtung Ara fliesst. Und plötzlich hat die Schweiz einen Rohstoff und eine Verantwortung, diesen für einen ganzen Kontinent verfügbar zu halten. Eine wertvolle Aufgabe, der Volker Dölitzsch und Jürg Hauert nachkommen. Sie hüten nicht mehr und nicht weniger als das Gold aus Blumenstein.
INFO
www.blattenheid.ch