Was heisst Inklusion für den Naturpark Gantrisch?
Claudia Vonlanthen (C. V.): Für uns heisst Inklusion, Wege zu finden, möglichst alle Leute an unseren Angeboten teilhaben zu lassen. Wir werden aufmerksam auf Barrieren, die nicht nötig sind, und versuchen, diese abzubauen. Zentral ist, dass zwischen vielen verschiedenen Menschen Begegnungen stattfinden können.
Karin Remund (K. R.): Wichtig ist, dass alle am Naturpark und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Bei uns sollen alle ihre Ideen einbringen dürfen, egal welchen Hintergrund sie haben. Für mich ist die Begleitung der inklusiven Angebote sehr bereichernd. Es passiert jeweils viel – Überraschendes und auf alle Fälle mehr als erwartet.
Was ist bei inklusiven Exkursionen anders?
C. V.: Eine inklusive Exkursion ist langsam, aber nicht langweilig. Es gibt Freiraum, um selbst entdecken zu können. Bei der Planung ist es wesentlich, dass eine Organisation mithilft, die Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen mitbringt, damit alle Aspekte berücksichtigt werden können. Es braucht zum Beispiel genügend Begleitpersonen, mehr Zeit und die Ausschreibung muss jeweils sehr detailliert sein (Trittsicherheit, Rollstuhlgängigkeit etc.). Die Routenwahl ist zudem viel herausfordernder.
Was heisst das?
C. V.: Die Bedürfnisse der Teilnehmenden stehen uneingeschränkt im Mittelpunkt. Die Anreise muss bewältigbar sein, ein unkomplizierter Treffpunkt ist ebenso wichtig. Auch die Infrastruktur muss stimmen, es müssen zum Beispiel immer WCs in der Nähe sein. Bei inklusiven Angeboten ist es auch eine grosse Herausforderung, gleichzeitig die Bedürfnisse von Menschen ohne Einschränkungen zu berücksichtigen. Es braucht Mut und die Musse, Pausen und Lücken zuzulassen.
Warum organisiert der Naturpark nicht exklusive Exkursionen für Menschen mit Beeinträchtigung?
C. V.: Wir setzen bewusst auf inklusive und nicht exklusive Angebote. Wir wollen, dass sich unterschiedliche Menschen begegnen und voneinander lernen können. Die Exkursion bietet den ungezwungenen Rahmen für diese Begegnungen. Auch Menschen ohne Beeinträchtigung tut es gut, mal langsamer und achtsamer durch die Natur zu gehen, zu entschleunigen, nicht zu müssen, sondern zu dürfen.
K. R.: Bei einer Exkursion zum Beispiel kam ich mit einer Frau ins Gespräch. Ich habe ihr beim Laufen auf einem unebenen Weg mit vielen Wurzeln geholfen und sie hat mich mit ihrer Geschichte, ihrer Dankbarkeit und Freude bereichert. Das war sehr schön. Solche Begegnungen tun allen gut.
Fühlen sich Menschen mit Einschränkungen wohl an inklusiven Anlässen?
K. R.: Leider trauen sich nur die wenigsten, allein unter andere Menschen zu gehen. Auch wenn sie könnten, sie bleiben oft lieber in ihrer vertrauten Umgebung.
Warum?
K. R.: Da fühlen sie sich sicher. Es ist noch nicht lange her, dass Menschen mit Einschränkungen nicht in die Gesellschaft integriert wurden. Nun ändert sich das Schritt für Schritt mit dem neuen Behindertengleichstellungsgesetz. Daran müssen sich alle zuerst gewöhnen. Das braucht Zeit.
Wie beginnt eine inklusive Exkursion?
K. R.: Die Begrüssung ist etwas persönlicher. Wir machen sie spielerisch. Dabei müssen sich beispielsweise zwei Personen in die Augen schauen und die Augenfarbe bestimmen oder drei Gemeinsamkeiten herausfinden, um sich kennenzulernen. So knüpfen die Teilnehmenden ein Band. Menschen mit Einschränkungen brauchen oft eine persönliche Verbindung, um vertrauen zu können. Deshalb schauen wir darauf, dass immer die gleichen Personen die Exkursionen leiten. Das baut Hemmschwellen ab.
Was passiert, wenn etwas nicht so funktioniert, wie geplant?
K. R.: Während eines Erzählcafés zum Beispiel hat plötzlich jemand aus dem Publikum übernommen und meine Folien vorgelesen. Ein anderes Mal wollte ich gemeinsam Lieder singen. Da hat sich jemand ans Klavier gesetzt und jemand hat dazu getanzt. Damit muss man rechnen und sich vor allem darauf einlassen können. Der Weg ist das Ziel. Es geschieht oft mehr, als man erwartet, und ist sehr bereichernd. Man muss auch weglassen und geschehen lassen können.
C. V.: Es sind immer Begleitpersonen dabei, die die Teilnehmenden kennen. Diese wissen, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen müssen. Wir Exkursionsleitenden sind flexibel und müssen unser Programm spontan anpassen können. Eine inklusive Exkursion ist eine gemeinsame Reise, auf der man nie weiss, was passiert. Man kann sie noch so gut organisieren, es kommt meistens anders, aber immer gut.