Mit klarer Vorwärtsstrategie in die Zukunft

Mit klarer Vorwärtsstrategie in die Zukunft

Vier Generationen lang stellten sie den Gemeindeschreiber in Zimmerwald. Mit Weitsicht und viel «Manpower» entwickelten die Familien Guggisberg ihren Betrieb zu einem Lohnunternehmen mit verschiedenen Partnerschaften. Jüngstes Projekt: der modernste Hühnermastbetrieb der Schweiz im Minergie-A-Standard.

«Göh mer doch grad i Pouletstall!» Samuel «Sämu» Guggisberg öffnet die Tür zum Aufenthaltsraum im Obergeschoss. Das Holz des gefälligen Gebäudes riecht noch frisch. Ein Fenster gibt den Blick frei in die Halle mit Tausenden von Hühnern. «Ein Fünfsternehotel für unser Federvieh», sagt Guggisberg stolz. «Mit Wintergarten, Wärmerückgewinnung und dem aktuell höchsten Minergie-Standard.»

Die Halle ist das neuste «Produkt» einer überbetrieblichen Unternehmenssicht. Der Sohn hat den Weitblick seines Vaters übernommen und in sein Betriebskonzept eingegliedert.
Es begann sehr traditionell
«Mein Vater hat die Weichen richtig gestellt. Er sah nicht Probleme, sondern Lösungen», schaut Guggisberg zurück. «Weil die früheren Gemeindeschreiber nicht immer genug Zeit für den Hof hatten, suchten sie schon immer die Zusammenarbeit mit Nachbarn.» Dies hatte jedoch weder den Umfang noch den verbindlichen Charakter der heutigen Betriebsorganisation.

1977 übernahm Sämu Guggisbergs Vater den Betrieb. «Ackerbau auf 900 m Höhe und mit nur 11 Hektaren? Das wird nicht funktionieren», soll Vater Guggisberg mehrmals gehört haben. Trotzdem setzte er auf die Karte Ackerbau – in einer Fruchtfolgegemeinschaft mit einem Nachbarn, der sich der Viehzucht verschrieben hatte. So spannten der «Huupeler» und der Bauer-Gemeindeschreiber zusammen, ergänzten sich, halfen sich aus. Während Jahrzehnten konnte eine erfolgreiche Fruchtfolgegemeinschaft realisiert werden: Die Böden wurden im Turnus für Viehwirtschaft, Futterbau, Getreide beziehungsweise Ackerbau genutzt. Das mindert Monokulturen und die Anfälligkeit für Schädlinge.

Parallel dazu baute der weitsichtige Vater ein Dienstleistungsunternehmen auf. «Er hatte immer eine Vorwärtsstrategie und ist mein grosses Vorbild», sagt Guggisberg überzeugt. Das anfängliche Lohnunternehmen wurde von Sohn Guggisberg konsequent zu einem Dienstleistungszentrum für Dritte ausgebaut: «Wir bieten alles rund um Kartoffelbau an, von der Bodenbearbeitung über Ernte bis zum Transport.» Der umfangreiche Maschinenpark der LGZ (Lohnunternehmen Guggisberg, Zimmerwald) wird ausgemietet; mit den Bereichen Düngung (organisch und mineralisch), Siloreinigung und Desinfektionen wurde ein weiteres Standbein aufgebaut.

Von der Scholle zur Knolle
Kartoffelfelder stellt man sich meistens im Flachland vor. Kaum jemand würde vermuten, dass gerade der Längenberg für den Anbau von Kartoffeln ideal ist. «Die Höhenlage auf 900 m bietet deutlich tiefere Temperaturen als im Tal. Zudem fliesst das Wasser nach intensiven Regenperioden besser ab. Auch die Bodenbeschaffenheit ist vorteilhaft», führt Sämu Guggisberg aus. Heute erntet das LGZ pro Jahr bis zu 8500 Tonnen Kartoffeln – auf eigenen Parzellen, in Kooperationen und im Auftragsverhältnis. Ein Viertel der eigenen Kartoffelfläche wird ohne Stickstoff gedüngt und man experimentiert mit homöopathischen Produkten.

Nischen und Partnerschaften suchen, in Gemeinschaften Risiken tragen und den Erfolg suchen: Dieses Rezept ist für den Inhaber eines KMU mit saisonal vier bis vierzehn Angestellten so etwas wie das Gebot der Stunde. Während der Saison sind die fünf Kartoffelvollernter und die zehn Traktoren fast pausenlos im Einsatz. Dritte schätzen den Rundumservice des LGZ, weil Kosten gesenkt und Risiken aufgeteilt werden können. Ein mit GPS gekoppeltes EDV-Tool hilft mit, Einsatzorte, Arbeitszeiten und Kosten im Griff zu behalten. Im Winter werden die Maschinen eigenständig gewartet und aufbereitet.

Die Struktur, das «Portfolio», des LGZ hat sich bewährt. So setzte das Unternehmen nicht auf die Zupacht von fremden Parzellen, sondern auf Kooperation: «Man sucht gemeinsam nach Alternativen und bleibt im Gespräch», so Guggisberg. Dabei sind ihm Offenheit und gegenseitiger Respekt wichtig.
Modernste Mästerei der Schweiz
Was für Unternehmer in der freien Marktwirtschaft längst selbstverständlich ist, setzt sich mehr und mehr auch in der Landwirtschaft durch: agil bleiben, sich anpassen, neue Wege suchen. Sämu Guggisberg kennt nichts anderes. Auf die damalige Fruchtfolgegemeinschaft folgten diverse Maschinen-, Anbau- und
Gebäudegemeinschaften. Das 1997 ins Leben gerufene Tractor Pulling ist vielen ein Begriff geworden.

Jüngstes Beispiel einer erfolgversprechenden Investition ist die Pouletmast-
Betriebszweiggemeinschaft mit einem weiteren Nachbarn. Dabei war diese Idee für einmal «auf Nachbars Mist» gewachsen. Der Bau der Halle war sehr kostenintensiv – kein Wunder, bietet sie doch rund 16 000 «Bibili» eine Bleibe auf Zeit. Das Projekt wurde in Kooperation mit einem grossen Fleischproduzenten umgesetzt. «Umwelt und Nachhaltigkeit sind uns ein Anliegen», definiert Guggisberg. Das Gebäude ist Minergie-A-zertifiziert und hat eine Wärmerückgewinnung, Solarpanels liefern Strom für den Betrieb und das Wohnhaus.

Dank einem Absatzvertrag lässt sich das Risiko relativ klar definieren. Und es gibt Luft nach oben: Der Eigenversorgungsgrad für Poulets in der Schweiz liegt aktuell bei etwa 60 %. Bewusst wird auch ab Hof verkauft: «So können sich Interessierte aus erster Hand ein eigenes Bild machen.»

Für den zweifachen Vater ist klar: «Es braucht immer wieder Pioniere. Man kann auch mit jenen Steinen etwas bauen, die einem in den Weg gelegt werden.» Trotz allem Vorausdenken und beherzten Agieren bleibt ein Risiko bestehen: das Wetter. «Leider kommt nicht immer alles gut. Aber zum Glück geht auch nicht immer alles schief», meint Sämu Guggisberg zuversichtlich. Mit dieser inneren Gewissheit bleibt er agil, bis er dereinst seiner Nachfolge «eine gute Sache», einen Betrieb mit Zukunftsperspektiven übergeben wird.

Das meint der Bauernverband zum Strukturwandel
Die Entwicklung geht auch an der Landwirtschaft nicht spurlos vorbei. «Der Strukturwandel von 1 bis 2 % jährlich ist nicht aufzuhalten», sagt Hans Jörg Rüegsegger. «Vor 30 Jahren zählten wir knapp 20 000 Bauernbetriebe, heute noch halb so viele», hält der Präsident des Bernischen Bauernverbands fest. Im Kanton Bern wird nur zu 50 bis 60 % Eigenland bewirtschaftet. Das heisst: Viele Landwirte setzen auf die Pacht fremder Parzellen. «Statt viel Land am Stück gibt es bei uns eher Wohngebiete, Hecken, Bäche, Strassen und Bahnlinien.»

Landabtausch möglich
Die Agrarpolitik 22plus sei ein gutes Mittel, um Strukturverbesserungen oder Meliorationen (Landzusammenlegungen zwecks höherer Effizienz) vorzunehmen. Dank dem zusammen mit den Nachbarkantonen Freiburg und Solothurn betriebenen Informatiksystem Gelan ist der Landabtausch auf virtueller Plattform problemlos möglich. Gesamthaft sieht der Verband die Lösung nicht in immer grösseren Betriebsbewirtschaftungseinheiten.

Wichtig: Langfristiges Denken
Schwierigkeiten ortet man vor allem auch aufgrund von nicht getätigten Investitionen (Gebäudeunterhalt, zeitgemässe In-
frastruktur) oder der fehlenden Nachfolge. «Diese sollte lange vor dem Pensionsalter thematisiert werden», rät Rüegsegger. Eine eigene Betriebsstrategie mit klar definierten Zielen, zum Beispiel das erfolgreiche Besetzen von Nischen, biete gesamthaft gute Perspektiven für die Zukunft.

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