«Das ist wirklich ein grosser Bau», meint Wildhüter Bernhard Ruchti. Am Ufer des Sees durchquert er ein Dickicht von Schilf und Buschwerk und bleibt vor einem Hügel voller Äste oder kleinerer Baumstämme stehen. Auf den ersten Blick liegen sie wild durcheinander auf einem grossen Haufen. Beim genaueren Hinsehen aber erkennt man das Kunstwerk. Jedes Holzstück ist auf eine akkurate Länge zerbissen und liegt einem Bleistift ähnelnd so verteilt, dass der Bau als Ganzes eine Stabilität erhält, die das Wasser nicht beschädigen kann. «Sie achten darauf, dass der sich ändernde Wasserspiegel ihren Eingang nicht zerstören kann», erklärt der Wildhüter. Auf dem Weg zurück überquert er einen unscheinbaren Pfad. «Hier kommt er vermutlich vorbei, um einige Happen an Kräutern und Pflanzen zu essen», ergänzt er.
Familienangelegenheit
Zurück am kleinen Holzsteg steigen ein paar Frauen aus Forst-Längenbühl gerade in den See, um einige Züge zu schwimmen. Derweilen zeigt Ruchti auf einen Uferbereich mit zwei umgestürzten Bäumen. «Das ist wohl auch sein Werk», sagt er und muss ein wenig schmunzeln. Zweifelslos, da hat eine ganze Biberfamilie mit Umbauten an der Uferlandschaft begonnen. «Biber sorgen mit ihren Eingriffen aus Sicht der Natur aber keineswegs für Zerstörung und Verwüstung, sondern schaffen Platz, damit Neues wachsen und gedeihen kann», präzisiert er. Die Einheimischen erinnern sich: Am nördlichen Seeufer waren einst mehrere Bäume und die galt es stets zu schützen und zu bewahren. «Das hat ihn wohl wenig interessiert», lacht ein anderer, der die Biberfamilie vom Dittligsee kennengelernt hat: Simon Wenger. Er bewirtschaftet jenes Stück Land, das an den See grenzt und auf dem einst diese geschützten Bäume standen. Noch im Frühjahr zogen die Biber hier tiefe Furchen durch die Wiese. Ziel dieser Aktion war es, das Land zu durchnässen, damit es absinkt und der See an Boden gewinnt. «Wir haben auch schon mal einen Stein in den Weg gelegt, damit er nicht weitergeht, aber das bringt relativ wenig», nimmt es der Landwirt mit Gelassenheit.
Weder Liebe noch Hass
Im Land stecken kleine Fähnchen, die den Uferbereich markieren, der ohnehin Schutzzone bleibt. Die direkt angrenzende Wiese, die hätten Frau und Herr Biber gerne als nördliche Seeerweiterung angedacht. Dass nun Wenger nur den oberen Teil emden und ernten kann, ist aber dem Hochwasser geschuldet. Der Dittligsee trat über die Ufer und erreichte damit auch besagte Wiese; nun musste die Nagerfamilie die Pläne ändern – Glück im Unglück sozusagen. «Biber können ganze Böden untergraben. Wenn ein Landwirt sein Feld bestellt, kann das schnell gefährlich werden», weiss Wildhüter Ruchti. Wenger indes vertraut auf seine offenen Augen und sieht, wo und wann der Biber gerade seine Expansionsgelüste auslebt. Seine Gelassenheit verblüfft. Hier arbeitet ein Landwirt, der nicht gegen die Widersacher ankämpft, sondern eine Koexistenz lebt. «Die Maiskultur musste ich letztes Jahr schützen, die hatten sie wohl im Visier», verrät Wenger und zeigt auf eine Stelle, die bereits deutlich weg vom See liegt. Im Moment scheint der Biber andere Baustellen zu haben, um den Dittligsee nach seinen Vorlieben zu gestalten. Das kann sich aber jederzeit ändern. «Gegen die Biber an sich habe ich nichts. Die Situation ist für mich aber zunehmend mühsamer und ich bin der Meinung, dass diese deutlich verbessert werden könnte, wenn der Seespiegel tiefer gehalten würde. Zu bedenken ist auch, dass er den Eigentümern quasi landwirtschaftliche Nuzfläche wegnimmt. Würde Herr Biber in seinem Eifer einmal ein wenig an den Hölzern bei der Schleuse im Ausfluss nagen, die den permanent hohen Wasserstand des Sees vorgeben, würde sich die Situation entspannen. Wäre er doch anscheinend der einzige, der diese Kompetenz hätte», gibt der Landwirt zu bedenken. Sein Blick wandert Richtung See und plötzlich muss er wieder lachen und ergänzt: «Wobei, als diese Bäume am Ufer plötzlich der Reihe nach verschwanden, war das schon auch ein wenig lustig.» Damit beschreibt er die Komik, die die Situation am Dittligsee hat: ob Landwirtschaft, Naturschutzzone oder Badebereich. Den Biber kümmert es herzlich wenig, was die Menschen angedacht haben, er baut ohne Rücksicht auf Zonenkonformität und auf das Baureglement von Forst-Längebühl.
Kampf um Reviere
Nur in einem Punkt stimmt die Biberfamilie mit ihren menschlichen Nachbarn überein: Es ist schön hier zu leben. So schön, dass nur wenige hundert Meter weiter, am Geistsee, eine weitere Familie lebt. Und unweit vom See fliesst die Gürbe, wo nah bei der Dittligmühle ein weiteres Biberzuhause steht. Wildhüter Ruchti hat eine Vermutung, weshalb hier fast eine kleine Biberstadt entsteht. «Wenn zwei Generationen an einem Ort wohnen und die dritte zur Welt kommt, wird der Platz eng. Die Biber bekämpfen sich und können sich dabei mit ihren Zähnen Verletzungen zufügen. So sind manche darauf angewiesen, ein neues Zuhause zu suchen.» Wo die Schwimmkünstler normalerweise dem Wasser entlang weitergehen, um eine geeignete Stelle mit ruhigem Wasserlauf zu finden, gehen die Gantrisch-Biber öfters auch über Land. «Einzelne können bis zu 100 km weit wandern», ergänzt er eine regionale Besonderheit. Wenn bei Ihrem Teich im Garten also einmal über Nacht aus dem Nichts die Seerosen verschwinden, dann könnte das ein solcher Biber auf Wanderschaft gewesen sein. Am Geistsee scheinen diese Pflanzen auf alle Fälle ihren festen Platz auf der Speisekarte eingenommen zu haben.
Die Biber haben das Gürbetal in ihr Herz geschlossen. Nur haben sie ein klein wenig andere Vorstellungen über den Gewässerverlauf, als wir sie haben. Das braucht einen umsichtigen Wildhüter wie Bernhard Ruchti und einen Landwirt wie Simon Wenger, der die Koexistenz mit seinem Widersacher und dessen Plänen, den See zu vergrössern und Mais zu fressen, mit Humor nehmen kann. Denn am Dittligsee heisst es seit geraumer Zeit «…und täglich grüsst das Biber-Tier.»