Sie war eine wichtige Bezugsperson für Hunderte von Mädchen und Buben: Drei- und Vierjährige, die vielleicht das erste Mal ausserhalb der Familie einen Vormittag mit Gspändli verbrachten. Kinder, die mit ihr bastelten, die unter ihrer Obhut Erfahrungen sammelten und von ihr auf den Kindergarten vorbereitet wurden. Heidi Stalder leitete in Gerzensee, Kirchdorf, Wichtrach und Kaufdorf während 40 Jahren wöchentlich bis zu 4 verschiedene Spielgruppen à je bis zu 15 Kindern. Nun verabschiedet sich die 70-Jährige als Spielgruppenleiterin. «40 Jahre ohne einen einzigen Unfall; es ist ein Gottesgeschenk», zeigt sie sich dankbar.
Feines Gespür für die Kleinen
Vielleicht war es auch Gott, der seine Finger im Spiel hatte, damit Stalder in der Welt der Kleinen eine solch prägende Rolle einnehmen konnte? Nach einer schwierigen Kindheit in einfachsten Verhältnissen zog die damals 15-Jährige nach dem Abschluss der 9. Klasse nämlich ins Pfarrhaus von Hans Ulrich und Elisabeth Schäfer in Gerzensee. Sie unterstützte die Familie mit den zwei – später wurden es vier – Buben im Haushalt. «Mir fiel schon bald ihre Begabung im Umgang mit Kindern auf», schaut Elisabeth Schäfer heute zurück. Gemeinsam mit der Jugendlichen habe sie dazumal viel mit ihren eigenen sowie den Nachbarskindern unternommen. Ob beim Batiken, «Kasperlen» oder Töpfern: «Sie konnte schon damals unwahrscheinlich gut mit Kindern. Und mit ihrer Fantasie wurde beim Basteln aus dem einfachsten Material etwas Überraschendes möglich.» Was ihr an glücklicher Kindheit daheim verwehrt geblieben war, ermöglichte sie nun den ihr anvertrauten Heranwachsenden. Sie habe ein feines Gespür für Menschen, gehe sorgfältig mit ihnen um und handle äusserst verantwortungsvoll, beschreibt es Schäfer. Auf Vermittlung des Ehepaars konnte die junge Heidi Stalder deshalb zuerst den kirchlichen Kindertreff und später auch die Jugendarbeit mitleiten.
Zwei Generationen betreut
Damals, in den 70er-Jahren, führte noch nicht jede Gemeinde einen Kindergarten, geschweige denn eine Spielgruppe. Doch als solche aufkamen, war Heidi Stalder unter den ersten Gründerinnen. Mit ihrem kleinen Gehalt kaufte sie einen Grundstock an Spielsachen, der durch Geschenktes ergänzt wurde. «Ich erinnere mich noch, wie ich manchmal im tiefsten Winter mit dem Töffli, vollbepackt mit Teddybären, durchs Gürbetal zur Spielgruppe fuhr», schaut sie zurück. Die Zeiten hätten sich geändert und mit ihnen auch die Kinder, merkte sie. «Damals waren sie eher schüchtern, schluckten alles, was man ihnen auftrug. Heute sind die Kinder reifer, selbstsicherer und selbständiger.» «Hochinteressant» seien die Kinder, deren Eltern bereits bei ihr die Spielgruppe besucht hatten. «Manche erinnern mich stark an ihren Vater oder ihre Mutter», sagt sie mit einem Lächeln.
Viel mit den Kindern reden
Was vor 40 Jahren wie heute gleich sei: «Kinder in dem Alter sind noch verträumt und auf eine spielerische Art offen. Gleichzeitig können sie aufmerksam zuhören. Und wenn sie etwas berichten, erzählen sie es mit ganzem Herzen.» Stalder ist es wichtig, dass ihre Schützlinge einander und das Material wertschätzen. «Ich hatte nicht viele Spielsachen – Puppen, Lego, ‹Köcherlizeugs›, Spielzeugautos und Kasperlifiguren. Doch das reichte ihnen; mit viel Kreativität bespielten sie alles.» Die Spielgruppenleiterin legt zudem Wert darauf, dass die Kinder im friedlichen Umgang miteinander wachsen. «Ich wollte, dass wir es miteinander schön haben.» Das scheint anzukommen. «Unserem Sohn ist seine ‹Heidi-Spielgruppe› sehr wichtig», erzählt Karin Joder, eine Mutter aus Kaufdorf. Die Leiterin sitze jeweils schon früh im «Kreisli», bereit für ihre Schützlinge. Sie erlebt Stalder als «äussert geduldig», sie lasse den Kindern in ihren unterschiedlichen Entwicklungsstadien Zeit. Martina Iseli, deren drei Buben ebenfalls alle die Spielgruppe im Rohrmattquartier besuchten, erwähnt die «feinen Antennen» der langjährigen Verantwortlichen. «Sie merkte, was die Kinder brauchen, und nahm sie an, wie sie sind.» Was ist Stalders Geheimnis im Umgang mit einer Altersgruppe, deren Impulskontrolle noch nicht ausgereift ist? «Man muss ruhig bleiben und viel mit den Kindern reden.»
Nun kommen vier Jahrzehnte mit «Kreisli», Basteln, Liedersingen und Znüni essen zu einem Abschluss. Wie schon die letzten Jahre wird Heidi Stalder auch ihre letzte Gruppe zu einem Spaghetti-Essen zu sich nach Gerzensee einladen. Anschliessend geht es ums Sichten und Wegräumen der Spielgruppenutensilien. «Danach schaue ich weiter, was ich mache.» Elisabeth Schäfer, mit der die frühere Haushaltshilfe immer noch freundschaftlich verbunden ist, fasst die Lebensaufgabe Stalders in einem Satz zusammen: «Die Kinder sollen bei ihr erleben, dass eine liebenswürdige Welt möglich ist.»