Personen, Piloten und Flugzeuge

Personen, Piloten und Flugzeuge

Es ist wirklich ein Erlebnis, in der Geschichte einer einhundertjährigen Institution zu blättern, vor allem dann, wenn ihre Entwicklung mit dem gleichzeitigen Fortschritt der Technik einhergeht. Die Segelfluggruppe Bern (SG Bern) ist ein solches Unternehmen. Obwohl 1923 gegründet, als «Flugtechnischer Verein», der sich einzig dem Fliegen, nicht der Gründung eines Vereins widmen will, wird sie erst 1967 «offiziell». Der Grund: Während über 40 Jahren besteht die Truppe praktisch ausnahmslos nur aus Leuten, die kein eigenes Fluggerät besitzen. Auch heute können sich nicht alle Pilotinnen und Piloten einen eigenen Segler kaufen.

Das änderte sich 1967, als es einigen Piloten rund um Obmann Albert Kiener gelang, von der Alpar AG deren acht Segelflugzeuge zu erwerben, so dass der Name SG Bern wirklich Sinn machte.

Schub dank Flugzeugschleppern

Das erste internationale Gleitfliegertreffen 1922 – in Gstaad, Noblesse oblige… –  zeigte, dass die Hängegleiter schon veraltet waren, weil die Hanghöhe eine zu grosse Rolle spielte. 1931 brachte dann bereits starken Auftrieb für die Segelfliegerei: Anlässlich des «Hochalpinen Segelfluglagers» auf dem Jungfraujoch gelang einem Deutschen ein Gleitflug vom Joch bis nach Bern. Im gleichen Jahr gab es mit dem Flugzeugschlepp den wohl entscheidenden Schub für die Segelfliegerei, womit man zum Start nicht mehr in die Höhe musste, um es den Vögeln gleichzutun.

Direkt in die Starkstromleitung

1971 geht als das Jahr mit den meisten Unfällen ein. Wörtlich in der Chronik zu lesen: «Insgesamt sieben Segelflugzeuge werden während der Saison mehr oder weniger zu Kleinholz verarbeitet, bei Bruchlandungen oder am Boden.» Davon betroffen war auch der weit über die Landesgrenzen bekannte Hans Nietlisbach, der nach eigenen Angaben, «fast vom eigenen Schwanz erschlagen wurde.» Erst Jahre später gab er zu, dass er damals «volles Risiko» geflogen sei…

Und was während des Winters?

Genug der Zwischenfälle aus der Vergangenheit – Sprung in die Neuzeit. Die SG Bern ist Mitglied der Vereinigung Bernischer Sportverbände sowie des Segelflug-
Verbandes der Schweiz. Knapp 100 Aktivmitglieder betreiben heute die Vereinsaktivitäten, welche nebst dem Flugbetrieb und der gut ausgebauten Flugschule mit über einem Dutzend Fluglehrern auch einen Werkstattbetrieb mit lizensierten Flugzeugwarten enthalten. Jährlich werden mehrere Pilotinnen und Piloten ausgebildet und für Einzelne unter ihnen wird die Segelflugausbildung zum wertvollen Fundament einer beruflichen Pilotenlaufbahn. Immer wieder nehmen einige von ihnen an nationalen und internationalen Segelflug-Meisterschaften teil.

Im Winterhalbjahr steht die Wartung der Vereinsflugzeuge, der privat gehaltenen Segelflugzeuge sowie der Theorie Unterricht für die Flugschülerinnen und -schüler im Vordergrund. Mit dem Ziel, den fliegerischen Nachwuchs im sicheren Überlandflug zu fördern und zu unterstützen, werden im Rahmen von Kursen auch im Winter laufend Themen zum Streckenflug bearbeitet. Diese werden durch die Breitenförderungskurse des SFVS sowie das traditionelle, jährliche Saanen-Lager, das es seit der Gründung gibt – und weiterer Zusammenkünfte im Ausland vervollständigt.

Dunkle Wolken am Horizont

Gegenwärtig erlernen 16 Schülerinnen und Schüler die Basiskunst des Segelfliegens, die Jüngste gerade einmal 16 Jahre alt. Und wie lange muss man für das Brevet rechnen? Stefan Graf, Medienverantwortlicher der SG Bern, schmunzelt: «Das ist auch vom Wetter abhängig. Aber wenn alles stimmt – Meteo und Lernbegierde – dann ist das in einer Saison zu schaffen, üblich sind aber eher zwei.» Aber eben, dieses Brevet ist erst die Basis zum Segelfliegen, weitere Kurse, zum Beispiel für Leistungspiloten, kommen hinzu. Und diese Spezialisten schaffen es dann durchaus vom Belpmoos über den Jura in Richtung Stuttgart, über die Schwäbische Alp und… retour ins Bärnbiet. Elf eigene und acht Segelflugzeuge von Privatpiloten zählt die SG heute. Neue Fluggeräte können bald einmal 150’000 Franken kosten. Wenn man sich mit Stefan Graf unterhält, spürt man seine Leidenschaft. Nicht bloss fürs Fliegen, sondern auch für die Umgebung, auf der die SG Bern sozusagen zuhause ist. Es handelt sich um eine riesige Trocken- und Magerwiese, die grösste zusammenhängende ihrer Art im gesamten Mittelland. Diese grenzt erst noch an eine landwirtschaftliche Zone mit Fruchtfolge. Stefan Graf: «Die Biodiversität ist gross, sogar einen Feldhasen können wir ab und zu beobachten.»

Nicht nur für ihn ist es deshalb unverständlich, dass die Flughafen Bern AG den Mietvertrag mit der SG Bern per Ende März 2024 auslaufen lässt.

Zukunft für alle unklar

Der Grund: Eigenbedarf für die via Medien vorgestellte Idee einer riesigen Photovoltaikanlage auf dem Grundstück, welches nach wie vor der Stadt Bern gehört, die es im Baurecht abgetreten hat. Die Strategie der Flughafen Bern AG scheint klar: Eine riesige Photovoltaikanlage bringt wesentlich mehr Geld in die Kasse als das Unternehmen heute von der SG Bern erhält. Störend dabei: Die Photovoltaikanlage existiert erst auf dem Papier. Wenn man den zeitlichen Ablauf von Baubewilligungsverfahren hierzulande kennt, lässt sich ausrechnen, dass bis zum Baustart Jahre vergehen können. Also kündigt man einem bisherigen Mieter wegen Eigenbedarfs, obwohl noch in den Sternen steht, wann man das Gelände tatsächlich benötigt. «Ich habe keine Mühe damit, dass wir wegen Eigenbedarf das Feld räumen müssen», sagt Stefan Graf, «aber bitte nicht auf diese Art und Weise. Wenn denn einmal eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt, à la bonheur, dann werden wir gezwungen sein, nach einem anderen Standort zu suchen.» Die SG Bern wird deshalb die Kündigung anfechten, abgesehen davon, dass zu erwartende Einsprachen und Beschwerden Dritter – wenn möglich bis vor Bundegericht – und eine Volksabstimmung die riesige Photovoltaikanlage um Jahre verzögern, wenn nicht sogar verhindern könnten.

Suche nach Alternativen?

Hat die SG Bern etwas gegen den Ausbau erneuerbaren Energien? «Nein, überhaupt nicht», erklärt Stefan Graf, «aber mögliche Alternativen werden gar nicht erst aufgezeigt und diskutiert.» Der Medienchef erwähnt eine mögliche Variante: «Würde nur die Hälfte aller Dächer in Belp mit Solarzellen ausgerüstet, könnte man damit die gleiche Leistung produzieren wie die Photovoltaikanlage auf dem Flugplatz. Lohnt es sich also im Hinblick auf den Natur- und Landschaftsschutz nicht, darüber nachzudenken?» Eine Frage, über welche eigentlich auch die Stadt Bern als Bodenbesitzerin nachdenken müsste. Wie auch immer. Fakt ist: Die SG Bern wird heuer 100 Jahre alt, ein Grund, nicht bloss intern die Korken knallen zu lassen, sondern auch der Bevölkerung etwas zu bieten. Das grosse Fest fand Anfang September und bei schönstem Herbst- und Flugwetter statt.

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Personen, Piloten und Flugzeuge

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