Auch hierzulande gibt es Berufe, die eher selten sind, ja fast schon exotisch anmuten. Pascal Moser aus Rüeggisberg zum Beispiel arbeitet als Bob-Anschieber. Bob-Anschieber? Ein Aussenseiter-Beruf in einer Aussenseiter-Sportart. Bobfahren, das war in der Schweiz schon breiter diskutiert als heute. Es gab Zeiten, da heimste der Schweizer Bobverband gleich reihenweise Medaillen ein, zuletzt mit dem Ostschweizer Piloten Beat Hefti, der zwischen 2007 und 2014 Weltmeister und Olympiasieger wurde.
Seither ist es ruhig geworden, um jenen Sport, den die meisten zumindest vom winterlichen Schlitteln her kennen dürften. Moser will das ändern: «2026 will ich an den Olympischen Spielen in Cortina d’Ampezzo teilnehmen!» Der 26-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund. «Ich bin einer, der gern gross denkt. Und dann wirklich alles dafür tut, den grossen Worten grosse Taten folgen zu lassen.»
Adduktoren-Verletzung
Nur – wer sich in der Sportwelt betätigt, fällt früher oder später auf den eigenen Körper zurück. Diese schmerzliche Erfahrung blieb auch dem Moser nicht erspart. Im Herbst 2021 hat er sich in der Vorbereitungsphase zu den Olympischen Spielen 2022 im Adduktorenbereich verletzt. Er musste kürzertreten und verpasste die Spiele in Peking – nachdem er sich erst im Sommer desselben Jahres dazu durchgerungen hatte, vollends auf die Karte Bobsport zu setzen. «Hinsichtlich Peking 2022 wollte ich mich so gut vorbereiten, dass auch ein Teilzeit-Job nicht mehr möglich war, aufgrund des grossen zeitlichen Aufwands», erzählt er.
Im Schwarzenburgerland aufgewachsen, erlernte er zunächst den Beruf des Elektroinstallateurs. Bereits in jungen Jahren war er sportlich aktiv, spielte Fussball und Unihockey. «Ich kam erst mit knapp 20 Jahren zum Bobsport. Sogleich habe ich einen Narren gefressen», erzählt der Rüeggisberger. Als Anschieber benötigt man viel Schnellkraft. «Als Hobby-Fussballer fehlte mir eine physische Grundausbildung, die als Bob-Anschieber hilfreich ist.» Die Arbeit eines Anschiebers besteht darin, den Bob beim Start so stark anzuschieben, um die eigentliche Fahrt im Eiskanal zügig einzuleiten. «Die ersten fünfzig Meter entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Während der Fahrt selbst mache ich mich aus aerodynamischen Gründen möglichst klein. Und im Ziel muss ich den Bremshebel ziehen. So einfach ist das.»
Trainer des Jahres
Die fehlende physische Basis hat der Athlet dank intensivem Schnellkraft-Training inzwischen kompensieren können. Das Training hat sich ausbezahlt: 2021 gewann er den Europacup sowohl im Zweier-Bob als auch in der Kombi-Wertung (Zweier- und Vierer-Bob zusammen). Dann kam die Verletzung. Doch jetzt fühlt sich Moser wieder fit. Und ist bereit, sein Bestes zu geben, um an den nächsten Spielen in Cortina als Athlet dabei zu sein. Die Investitionen dafür sind gross: Letzten Frühling hat er sich die Dienste von Adrian Rothenbühler gesichert, ein führender Leichtathletik-Coach im Land. 2019 wurde Ro-thenbühler, nach seinen Erfolgen mit der Berner Sprinterin Mujinga Kambundji, die er persönlich betreute, Trainer des Jahres. «Adrian verantwortet meine Trainingsplanung.» Zu Mosers persönlichem Staff zählen weiter eine Ernährungsberaterin, ein Sportphysiologe, ein Mentaltrainer sowie zwei Trainingsleitende im physischen Bereich. Ein grosser Aufwand, den der Sportler nicht nur physisch und psychisch, sondern auch finanziell ganz allein stemmen muss: «Zurzeit arbeite ich Teilzeit als Elektro-installateur. Daneben habe ich Sponsoren gefunden, die mich unterstützen, damit ich mich im Winter-Halbjahr vollends auf das Bobfahren konzentrieren kann.»
Fünf Anschieber, drei Plätze
Wenn man Pascal Moser so zuhört, wird klar: Im Beruf des Bob-Anschiebers ist man auf sich allein gestellt. Man organisiert sich sein eigenes Training, ohne Unterstützung im Rücken. Am Tag X, dem offiziellen Leistungstest des nationalen Bobverbands, gilt es, seine Bestleistung abzurufen. Die führenden Schweizer Bob-Piloten gehen dann selbständig auf die Anschieber mit den besten Zeiten zu, um sie in ihr Team zu holen. «Diesen Sommer hat mich Simon Friedli kontaktiert, der momentan zweitbeste Pilot der Schweiz. Ich trainiere nun in seinem Team, in der Hoffnung ab Oktober auch Weltcup zu fahren mit ihm.» Friedlis Bob hat Platz für drei Anschieber. Nebst Moser kämpfen noch vier andere Kandidaten um die begehrten drei Plätze. «Natürlich muss es im Team auch zwischenmenschlich stimmen. In erster Linie zählt aber die persönliche Leistung.» Er jedenfalls ist guten Mutes, im Herbst als fester Bestandteil von Friedlis Bob in den Eiskanälen dieser Welt in den ersten fünfzig Metern für Bestzeiten zu sorgen. Und den Olympischen Spielen 2026 damit einen grossen Schritt näher zu kommen.