Die Tücken des Torfs

Die Tücken des Torfs

Der Nahrungs- und Futtermittelbedarf steigt. Die Landwirtschaft ist einerseits gefordert, diese Nachfrage zu decken und gleichzeitig dem Boden Sorge zu tragen. Wie geht es dabei dem Gürbetal, das im Vergleich zu den voralpinen Gebieten intensiver genutzt wird?

Vor einem Jahr, im Mai 2020, verabschiedete der Bundesrat die Bodenstrategie Schweiz. Ziel dieser ist, unseren Umgang mit den Schweizer Böden nachhaltiger zu gestalten: Belastungen durch Bautätigkeit oder durch Erosion, Verdichtung und Schadstoffe soll entgegengewirkt werden, damit auch die nächsten Generationen von Leistungen wie Lebensmittelgewinnung, Trinkwasserfiltrierung oder CO2-Speicherung profitieren können.

1500 m² pro Person
Werden Böden versiegelt – sprich: zubetoniert –, ist dies kaum mehr wiedergutzumachen. Rund hundert Jahre braucht es, bis sich ein Zentimeter funktionsfähiger Boden entwickelt hat. Darum lautet das erste Ziel der Bodenstrategie, bis 2050 netto keinen Boden mehr zu verbrauchen. Wird überbaut, muss dies andernorts durch Aufwertung kompensiert werden.
Für die aktuelle westeuropäische Ernährung wird pro Person zwischen 0,15 und 0,22 ha landwirtschaftliche Produktionsfläche benötigt. Eine Hektare sind 100 mal 100 Meter, somit umfasst die benötigte Fläche pro Person mindestens 1500 m². Würde der Konsum von tierischen Produkten um mindestens die Hälfte reduziert, wäre sogar nur knapp die Hälfte davon nötig. Auf den Ackerflächen der Schweiz können aber für unsere heutigen Ernährungsgewohnheiten Lebensmittel für bloss zwei bis drei Millionen Menschen erzeugt werden. Wir sind also stark auf Importe – und auf einen sorgfältigen Umgang und Schutz unserer Böden – angewiesen. Zur Illustration: Auf einem Quadratmeter Weizenfeld wächst jährlich genug Korn für ein mittelgrosses Brot.
Dabei machen die Landwirtschaftsflächen mit knapp 36% den grössten Teil der Schweizer Bodennutzung aus. Knapp ein Drittel dieser Flächen werden als Ackerland genutzt.

Bern und das Gürbetal
Im Kanton Bern wird über 40% der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Die Produktivität hängt von den fünf Bodenbildungsfaktoren «Klima», «Muttergestein», «Topographie», «Zeit» und «Lebewesen» ab. Wie die Fachstelle Boden des Amts für Landwirtschaft und Natur berichtet, findet sich die beste Bodenqualität für landwirtschaftliche Produktivität im Moment in Fraubrunnen.
Die Torfböden im Gürbetal hingegen waren früher hauptsächlich von Streuwiesenvegetation geprägt und produzierten kaum Nahrungsmittel. Vor rund hundert Jahren, nach der Entwässerung, entwickelten sich produktive Böden. So wurde das Tal zum «Chabisland». Da jedoch der Torf durch die Entwässerung mit Sauerstoff in Kontakt kam und so Mineralisierungsprozesse einsetzten, nimmt die Fruchtbarkeit zwar langsam, aber kontinuierlich wieder ab.
Um die Böden fruchtbar zu halten und dadurch die langfristige Produktion von Nahrungsmitteln sicherzustellen, führte der Kanton von 2009 bis 2015 das Förderprogramm Boden durch. Dessen drei Hauptpfeiler sind konservierende Bodenbearbeitung – zum Beispiel Direktsaat anstatt Pflugeinsatz –, permanente Bodenbedeckung und sorgfältige Befahrung.

Verdichtung nimmt zu
Ein gesunder Boden besteht zu einer Hälfte aus festen Bestandteilen und zur anderen aus Hohlräumen, die gefüllt mit Luft und Wasser sind. Mithilfe dieses Porensystems kann Regenwasser versickern, Wasser gespeichert und Gas, insbesondere Sauerstoff, ausgetauscht werden. Um Äcker schneller und günstiger bewirtschaften zu können, werden meist Vollernter eingesetzt. Ihre Bunker oder Tanks führen zu einer grossen Gewichtsbelastung. Gerade bei feuchten sowie bei tonigen Böden wirkt sich dies fatal auf den Untergrund aus; der Boden verdichtet sich.
Bereits relativ einfache Massnahmen können solche Schäden in Grenzen halten: etwa das ausschliessliche Befahren von trockenen Feldern, das Absenken des Reifendruckes oder die Verwendung von grossvolumigen Reifen. Schwere Traktoren, Mähdrescher oder Vollernter können zudem besser getragen werden, wenn sie auf angesäten Streifen anstatt auf nackter Erde fahren.

Der Fall Hänni
Aus eigener Erfahrung kann Bernhard Hänni aus Noflen sprechen. Der Bio-Gemüsegärtner ergriff Massnahmen, als er merkte, dass es auch bei ihm zu einem Bodenabbau kam und sich der Humusanteil reduzierte. «Vor ungefähr 13 Jahren merkte ich, dass es in den Gemüsefeldern keine Regenwürmer mehr hatte, die Erde kaputt war und sich bei Regen stets Gräben darin bildeten. Da kam es zu einem Umdenken.» 1969 stellten Hännis Eltern den Betrieb bereits auf ökologische Wirtschaftsweise um. 1999 entschied sich Hänni selbst schliesslich, den Hof viehlos und mit Gemüsebau zu führen. Da das Ackerland anfangs noch fruchtbar war und viel hergab, betrieb er die herkömmliche Bearbeitung des Landes, wie es bis heute in den meisten Landwirtschaftsbetrieben der Fall ist. Doch dann kam die Erkenntnis: «Ein solcher Boden bietet dem Bauer keine Zukunft, denn er stellt die Existenzgrundlage dar.» So beschloss der Landwirt, etwas zu ändern, und entwickelte über Jahre hinweg ein eigenes Anbausystem, das den Boden sogar verbessern kann. Dabei werden die Fahrspuren des Traktors von der bepflanzten Fläche konsequent getrennt. So sind die immer begrünten Fahrspuren immer tragfähig. «Bei der Bearbeitung gibt es so keine Verdichtung im Pflanzbeet mehr, daher sind weniger schwere Maschinen nötig, womit das Leben in der Erde weniger gestört wird», erklärt er. Alles, was auf einem Feld grün ist, produziert durch das Sonnenlicht das ganze Jahr über Kohlenstoffeinlagerungen. Diese sind die Grundvoraussetzung, damit Humus aufgebaut werden kann. «Das ist wie eine Solaranlage, die anstatt Strom Kohlenstoff herstellt», lacht der Landwirt. Das Hauptproblem stellen die schweren Maschinen dar. Der Boden wird verdichtet oder mit viel Kraftaufwand bearbeitet, sodass der Humus dabei häufig abgebaut werde, meint er weiter. Dabei gebe es jedoch ein Missverständnis unter Konsumenten, wie leider teilweise auch bei den Bauern: «Dass Humus einfach durch Ausstreuen von Mist und Kompost aufgebaut werden kann. Jedoch funktioniert das leider überhaupt nicht, da dies einen langen Prozess und ein gesundes Bodenleben bedingt. Dazu muss auch bedacht werden, dass Dünger, Pflanzenschutz- und Pilzmittel die Erde und somit die Humusbildung weiter schädigen können», klärt er auf.
Hänni nutzt seit acht Jahren den Geohobel, eine Maschine, die den Boden pfluglos und nur oberflächlich bearbeitet, wodurch Humusabbau verringert und die Wasseraufnahme verbessert werden. Doch wie kam er auf diese scheinbar bahnbrechende Maschine? Als er auf einem Feldtag 2014 auf den Maschinenbauer Michael Rath stiess, habe ihm der Österreicher genau das Konzept für ein Gerät vorgestellt, das er gesucht habe. Somit war die Idee des Geohobels geboren. «Wir haben auf unserem Betrieb noch den Prototypen aus der Anfangszeit», sagt er. Diese Maschine arbeitet nur drei bis sieben Zentimeter tief und hinterlasse ein gutes Pflanzbeet. Darunter bleibe der Wasserhaushalt ungestört und der Boden in seiner natürlichen Schichtung erhalten und das Bodenleben – insbesondere die Würmer – werden geschont, ergänzt Hänni.

Nadia Berger
Salome Guida

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