Wo vorher ein Rasenstreifen das Schulhaus umgab, spriessen jetzt hohe Gräser und Wildblumen. Auf der Fläche zwischen Pausenplatz und Gebäude kann das Regenwasser versickern – Mergel bedeckt den Boden, der eigentlich hätte asphaltiert werden sollen. Nebenan bietet eine Totholzhecke Lebensraum für Insekten. Was nach dem Pausenznüni an Verpackung übrigbleibt, entsorgen die Schülerinnen und Schüler, sorgfältig nach Wertstoff getrennt, im extra dafür eingerichteten Zimmer. Man merkt: Im Schulhaus Ziegelacker wird auf einen sorgsamen Umgang mit der Natur geachtet. Zu verdanken ist dies einem offenen Kollegium und Hauswart, dem unterstützenden Rüeggisberger Gemeinderat, mittragenden Eltern – und Margi Fankhauser. Die Schulleiterin hat die erwähnten Projekte angeregt, initiiert, sich dafür ins Zeug gelegt.
Für Umwelt und Schule
Seit 25 Jahren ist Fankhauser im Schuldienst, davon 24 Jahre in Rüeggisberg tätig. Die Liebe hatte sie ins Bernbiet gebracht, auf einen Bauernhof im Ort. Sie unterrichtete in vier der damals noch sechs Schulhäusern, von denen es jetzt nur noch eines gibt. Vor vier Jahren wollte sie «mal etwas anderes» machen und absolvierte an der Bieler «sanu» berufsbegleitend die Ausbildung zur Umweltberaterin. In der gleichen Zeit wurde die Stelle der Schulleitung frei und Fankhauser, die den Betrieb in- und auswendig kannte, dafür angefragt. So kam es, dass sie noch das CAS für Schulleitung anhängte. Umwelt und Schule – die engagierte Rüeggisbergerin entschied sich, ihre beiden Leidenschaften zu verbinden. Als «sanu»-Abschlussprojekt, im ersten Monat als Schulleiterin, organisierte sie einen internen Weiterbildungstag zum Thema Klima und Umwelt: Wie kann man eine Schule grüner machen? In welchen Bereichen kann man, wo muss man etwas ändern?
Die «Erwachsenen von morgen»
«Die Kinder sollen wissen, dass sie beteiligt sind, auch wenn man mit kleinen Dingen nicht die ganze Welt ändern kann», sagt Fankhauser. Sie und ihr Team wollen die ihnen Anvertrauten sensibilisieren: «Man kann etwas machen.» Denn so fühle man sich nicht so machtlos. Auch wenn es ein Tropfen auf den heissen Stein sei: «Es gibt ihnen ein Gefühl von Handlungskompetenz.» Und die jetzigen Kinder seien die späteren Erwachsenen.
Auch der Hauswart macht mit
Das «Ziegelacker» geht dies auf verschiedenen Ebenen an. Lehrpersonen passen ihre Jahresplanung an und greifen bewusst mehr Themen aus dem Umweltbereich auf. Das Leitbild der Schule weist Klimafreundlichkeit als eines von vier Hauptthemen aus. Das bedeutet im Alltag zum Beispiel, dass die Wasserhahnen sparsamer eingestellt sind, korrekt gelüftet wird und die Lichter nicht unnötig brennen oder dass die eingangs erwähnte Abfalltrennung praktiziert wird. Weiter kommt die persönliche Ebene aller Involvierten dazu: Kann man solche Themen auch vermitteln, wenn man als Privatperson die Klimakrise nicht so schlimm findet? Wie findet das Team einen gemeinsamen Weg, auch wenn nicht alle gleich stark dafür brennen? «In Workshops setzten wir uns mit solchen Haltungsfragen auseinander», erklärt Fankhauser. Denn sie wolle niemandem etwas aufdrängen. Dennoch sei es unabdingbar, dass verschiedene Stellen mitmachen, etwa der Gemeinderat, die Schulkommission, die Eltern, die Tagesschule und, ganz wichtig, der Hauswart. Er verwandelte auf Fankhausers Anregung hin Rasenflächen in eine Blumenwiese, jedes Jahr pflanzt er einen neuen Baum, er toleriert die mit den Kindern erstellten Kompostplätze, Steinhaufen oder die Kräuterschnecke und er bekämpft Unkraut nicht mit Spritzmitteln, sondern manuell oder mit Heisswasser.
Pommes mit Salat
Einen grossen Einfluss auf Umwelt und Klima hat unsere Ernährung. Klar also, dass Margi Fankhauser auch die Tagesschule mit ihren Mahlzeiten miteinbezieht. Ein externer Mahlzeitenlieferdienst birgt das Risiko von viel Nahrungsverschwendung. Die Portionengrössen sind einheitlich, die Kinder essen jedoch unterschiedlich viel. Fankhauser, die auch als Tagesschulleiterin fungiert, setzte sich deshalb beim Start vor neun Jahren für einen eigenen Koch ein. Das zahlt sich aus: «Wir kaufen möglichst lokal ein, können die Mengen flexibel anpassen und verwerten konsequent die Reste.» Zudem finden die kleinen Gäste nicht jeden Tag Fleisch auf ihrem Teller. «Wir gestalten es so, dass es gar nicht gross auffällt, etwa bei Pommes Frites mit Salat», kommentiert sie mit einem Augenzwinkern. Inwischen zeigt sich: Die Lohnkosten für einen Koch sind höher als beim Lieferdienst, aber die tieferen Mengen, das praktisch ganz wegfallende Verpackungsmaterial und die Wahl der Lebensmittel wiegen dies mehr als auf; unter dem Strich lohnt sich dieses Modell. Wenn auch relativierend angefügt werden muss, dass maximal 25 Kinder mitessen und die Rechnung für grössere Schulen vielleicht anders aussieht.
Leidenschaft wieder erwacht
Die gebürtige Glarnerin hat seit ihrer Kindheit ein Herz für die Natur. Der Vater Älpler, die Familie gross: «Ich wuchs sehr einfach auf.» Als junge Frau sei sie fatalistisch unterwegs gewesen: «Wenn meine Clique in den McDonalds ging, wartete ich draussen.» Als junge Mutter standen jedoch andere Themen im Vordergrund. Doch als ihr mittleres Kind anfing, sich in der Klimabewegung zu engagieren, sei die Leidenschaft fürs Thema explosionsartig wieder da gewesen. «In der ganzen Machtlosigkeit, dem Gefühl, man könne als Einzelperson nichts bewirken, fühlte ich ganz stark: Ich möchte etwas machen.» Nach den ersten Anpassungen zuhause – Haus sanieren, PV-Anlage, Elektroauto – folgten die guten Erfahrungen am Arbeitsort, «auch wenn es nur eine kleine Schule in einem Dorf ist.»
Der Funke springt über
Inzwischen haben die Bemühungen in Rüeggisberg Wellen geschlagen, wie der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings, der einen Sturm auslöst. Im November werden die Lehrpersonen, Mitarbeitenden und Verantwortlichen der Schulen Kaufdorf, Toffen, Thurnen und Riggisberg gemeinsam die Weiterbildung besuchen, die am Anfang des Rüeggisberger Projekts stand. Diesmal wird Margi Fankhauser von einem sanu-Kollegen sowie von Mitarbeiterinnen des Naturparks Gantrisch unterstützt. Es geht um Biodiversität in der Schulhausumgebung, Abfallbewirtschaftung und die Jahresplanung. Rund 150 Lehrpersonen plus die jeweiligen Schulleitungen nehmen teil. Fankhauser freut sich darüber, denn Studien zeigen, dass sich immer mehr Jugendliche Sorgen um die Zukunft der Welt machen und sich ohnmächtig fühlen. Lehrpersonen spielen also eine wichtige Rolle. Sie tragen die an der Weiterbildung vermittelte Botschaft weiter und säen sie in die nächste Generation: «Man kann etwas machen.»