Dabei ist es längst nicht das schwierigste Unterfangen des 33-Jährigen. Matthias König langte schon einige Male nach neuen Himalayarekorden: 2017 bestieg er den Dhaulagiri (8’167m), auch wenn er die Skier für die versuchte Erstabfahrt 500 Meter unter dem Gipfel zurücklassen musste. Ebenfalls flog er auf knapp 7’000 Metern über Meer mit einem einfachen Gleitschirm (ohne Notschirm) im Pamirgebirge «herum». Und am pakistanischen Laila Peak gelang ihm vor knapp zwei Jahren eine «zweite Erstabfahrt» vom über 6’000 Meter hohen Gipfel, an dem es in den Jahren zuvor bei demselben Versuch zwei Todesfälle gegeben hatte.
«Ich will nicht in den Bergen sterben»
Andere Steilwandbegeisterte reihen als «Red Bull-Athleten» waghalsige Aufstiege und Abfahrten aneinander und gehen in viralen Onlinefilmen um die Welt. Nicht so Matthias König. Professionell trainiert ist er zwar, über Erfahrung verfügt er und an Mut mangelt es ihm gewiss nicht. Doch es geht ihm nicht um Ruhm, er stellt sich nicht gern ins Rampenlicht. Er ist nicht einer, der das Schicksal herausfordert: «Ich will nicht in den Bergen sterben», sagt er überzeugt. Schliesslich möchte er in Zukunft auch Familie haben – und weiterhin Oberstufenschüler unterrichten.
Liebesglück auf dem
Guggershörnli
Eigentlich ein Bieler, verschlug es König vor zehn Jahren für eine kurze Stellvertretung als Lehrer nach Rüschegg Heubach. Aus der angedachten Stippvisite wurden neun Jahre, obwohl der Arbeitsplatz bald einmal in Neuenegg lag. «Mir gefiel es in Rüschegg sofort», schwärmt König. Insbesondere die Umgebung der Region Gantrisch tat es ihm an. «Sie wurde zu meiner Heimat», freut er sich.
Fast jede freie Stunde ist der Naturliebhaber an und auf den umliegenden Gipfeln anzutreffen. Er schätzt es, dass er in kurzer Zeit in wilden, einsamen Couloirs sein kann und sieht es nicht nur als Übungsgelände: «Ich kann hundert Mal die Bürg-len hochrennen und runterfahren – das ist Training, aber ich geniesse es jedes Mal.» Das touristische Potenzial der Region sei noch längst nicht ausgeschöpft, findet er. «Schön wäre es, wenn es mehr Möglichkeiten zum Einkehren gäbe – warum nicht eine Schneebar für die vielen Sportler, etwa bei der Gantrischhütte oder am Gurnigel?»
Nach seinen Schweizer Lieblingsorten gefragt, zögert Matthias König nicht lange. Es ist kein Viertausender, sondern das Guggershörnli: «Schon unendlich oft war ich dort oben, bei jedem Wetter, jeder Tages- und Nachtzeit», schwärmt er. Seine Freundin und er haben sich dort sogar ineinander verliebt – bei Vollmond.
Akribische Vorbereitung für die wilden Gipfel
«Ich mag wilde, schöne Gipfel, auf die nur wenige andere gehen», beschreibt
Matthias König seine Leidenschaft. Natürlich meistert er gerne Erstbegehungen, Erstabfahrten. Auch «Zweit- oder Dritt-Rekorde» machen Spass, doch schluss-
endlich geht es ihm nicht um Rekorde, Titel oder gar um Heldentum. So erzählt er: «Die Leute in meinem Umfeld wissen oft nur wenig über meine Bergabenteuer. Damit kann ich gut leben.»
Den unscheinbaren Spitzenathleten reizt das Unterfangen an sich. Etwa, die Bezwingung weniger bekannter Berge vorzubereiten: das Gelände, das Wetter, die Winde – alles wird akribisch studiert und analysiert. Gerade Besteigungen oder Abfahrten fernab vom Massenalpinismus müssen manchmal über Jahre hinaus bis ins Detail vorbereitet werden. Denn auf solcher Höhe kann jeder kleine Fehler tödlich enden.
Um in lebensfeindlicher Umgebung Höchstleistungen zu erbringen, sind sowohl mentale Stärke wie auch körperliche Kraft unabdingbar. «Nur wer wirklich auf den Gipfel will, wird es auch schaffen», fasst es Matthias König zusammen, «doch wer um jeden Preis hoch will, riskiert sein Leben.» «Das Höchste für mich ist es, meinen Körper so zu trainieren, dass ich überhaupt für solche Expeditionen bereit bin», beschreibt er diese Art Herausforderung.
Gerne Lehrer
Der engagierte Lehrer ist inzwischen nach Marly FR gezogen. An der Sekundarschule in Plaffeien ist er Klassenlehrer und unterrichtet Sprachen. Durchs Reisen in den europäischen Bergen und in vielen Hochgebirgen Asiens beherrscht König nicht nur die Fremdsprachen Französisch, Englisch und Italienisch, sondern auch Russisch. Und wenn er nicht gerade auf den Gantrisch klettert, von der Kaiseregg hinunterfliegt oder Gewichte stemmt, lernt er fleissig Spanisch – für die Sommerferien hat er sich nämlich «ein paar 6’000er in den peruanischen Anden» vorgenommen.
Ganz auf die Karte Alpinismus setzen will Matthias König nicht: «Ich möchte nicht nur in den Bergen herumrennen; auch ein Sozialleben ist mir wichtig.» Zudem sieht er seinen Beruf nicht als «Brotjob», um alpine Expeditionen zu ermöglichen. «Ich bin sehr gerne Lehrer», wiederholt König mehrmals. Zum Glück erlaubt ihm sein 80%-Pensum, oft draussen zu sein. Denn: «Stillhalten kann ich mich nicht.»